Der Autor der Liebe erzählt in ruhigen, fast ironisch trockenen Bögen vom Leben zweier Figuren in einem Südamerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die einander stets nahe und doch stets fern stehen, bis sie sich im hohen Alter endlich wirklich kennen lernen.
Dr. Urbino spielt zu Beginn die Hauptrolle: Er ist gebildet und umtriebig, wenn auch emotional etwas minder bemittelt. Sein Ruhm in der Öffentlichkeit macht ihn zur logischen Wahl für Fermina Daza, der Frau im Zentrum des Romans. Die beiden lieben einander nicht, lernen sich aber lieben im Laufe einer jahrzehnte währenden, meist guten Ehe.
In gutem, wenn auch nicht hohen Alter kommt der Doktor durch einen Sturz zu Tode, und die eigentliche Geschichte beginnt: Florentino Ariza, ein eingekapselter, seltsamer Junge, verliebt sich in das Mädchen Fermina, er schreibt ihr unzählige Briefe, sie fühlt sich geschmeichelt etc., bis die Seifenblase der Vorstellung von einander durch eine einzige, kurze Begegnung zum Platzen gebracht wird: Fermina Daza bricht den Kontakt ab und vergisst Florentino.
Während sie heiratet, nach Europa reist, wieder zurück kehrt und zu einer angesehenen Dame der Gesellschaft an der Seite Dr. Urbinos wird, die mit ihren beiden Kindern und dem Haushalt ausgelastet ist, arbeitet sich Florentino Ariza in der Flussschifffahrtsgesellschaft seines Onkels von ganz unten nach ganz oben. Und während Fermina keine Sekunde an Florentino denkt und sich mit ihrem Mann genügt, lebt Ariza allein für Fermina und liebt in jeder einzelnen seiner unzähligen Liebschaften bis ins Alter eigentlich nur sie.
Als Urbino tot ist, wagt er endlich einen zweiten Anlauf, und mit der Zeit schafft er es tatsächlich, wenn auch aus anderen Gründen als den mit seinen Avancen intendierten, sich der Liebe seinen Lebens, der unerreichbaren Fermina Daza zu nähern.
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Immer wieder überraschende Sinnsprüche schmücken Seite um Seite der leicht dahin wehenden Erzählung, die bis zuletzt spannend und anregend bleibt, und vor allem immer wieder zum Nachdenken über die tausend Facetten der Liebe anregt. Zuweilen muss man den Kopf über die Verbohrtheit, Dummheit, Verblendung, aber auch den jugendlichen Übermut und die Kühnheit der Figuren schütteln, immer aber erkennt man einen Funken Wahrheit in all ihrem Handeln.
Allein das Ende ist eine herbe Enttäuschung.
Fermina Daza und Florentino Ariza sind auf einem seiner Flussdampfer quasi Gefangene ihrer Liebe, sie haben, um ungestört der Liebe frönen zu können, einen Choloera-Flagge gehisst, stehen nun unter Quarantäne und können nun nicht mehr an Land gehen, ohne einen gesellschaftlichen Skandal heraufzubeschwören. Die beiden beschließen also, den Fluss weiter auf und ab zu fahren, wohl bis sie sterben. Tolles Ende.
Es wirkt ein wenig, als habe Marquez am Ende die Lust an seiner Erzählung verloren. Oder er wollte ein offenes Ende schaffen, weil ihm das Sterben seiner beiden Figuren am Ende (was konsequent und konventionell gewesen wäre) entweder zu billig oder zu schmerzvoll gewesen wäre. So bleibt ein großartiger Roman über die Liebe mit einem offenen Ende, das keines ist, ein großer Wurf, der in einer Pfütze landet. Schade, aber trotzdem unbedingt empfehlenswert.
Samstag, 13. März 2010
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